Ein kontroverses Thema – welche Methode wendet der Sachverständige an?

Der OGH judiziert zur Frage, welcher Methode sich der Sachverständige zur Beantwortung des Gutachtensauftrages zu bedienen hat, in ständiger Rechtsprechung wie folgt:

Es ist Aufgabe des Sachverständigen, aufgrund der einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebenden strittigen Tatfragen am besten eignet (OGH 14.07.2008, 5 Ob 137/08w).

Bei der Beweisaufnahme durch Sachverständige ist es deren Aufgabe, aufgrund ihrer einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebenden strittigen Tatfrage(n) am besten eignet; andernfalls verhinderte das Gericht, dem es an der notwendigen Fachkunde zur Lösung der durch Sachverständige zu beurteilenden Tatfragen mangelt, die Fruchtbarmachung spezifischen Expertenwissens. Das Gericht hat daher Sachverständigen die im Zuge der Auftragserledigung anzuwendende(n) Methode(n) im Allgemeinen nicht vorzuschreiben, gehört doch die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit (RIS-Justiz RS0119439).

OGH zur Unternehmensbewertung:

Eine rechtliche vorgeschriebene Methode der Bewertung von Handelsunternehmen – von deren Wert bei der Bewertung eines Geschäftsanteils ausgegangen werden muss – gibt es nicht. Die richtige Methode zu ermitteln, ist ein Problem der Betriebswirtschaftslehre, doch muss das von ihr gewählte System der vom Gericht gestellten Aufgabe adäquat sein (RIS-Justiz RS0010087).

In der Betriebswirtschaftslehre besteht heute Einigkeit darüber, dass der Ertragswert bei der Bewertung lebender Unternehmen eine mehr oder weniger wichtige, wenn nicht überhaupt die entscheidende Rolle spielt, weil sich Käufer und Verkäufer mit ihren Preisvorstellungen wesentlich an dem zu erwartenden Nutzen zu orientieren pflegen. Gedankliche Basis ist heute der Zahlungstrom, den der Unternehmens- oder Anteilseigner aufgrund seines Engagements zu erwarten hat. Allgemeine Grundlage der Unternehmensbewertung ist demnach der Ertragswert und nicht der Substanzwert. Die Aufgabenadäquanz der vom Sachverständigen gewählten Bewertungsmethode und das Bewertungsergebnis sind jedenfalls vom Gericht frei zu würdigen; dabei wird das Gewicht der angeführten Gründe maßgebliche Bedeutung haben (RIS-Justiz RS0010086).

Anlässe zur Unternehmensbewertung

Bewertungsanlässe sind beispielsweise der Erwerb und die Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensanteilen, gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie z.B. Einbringung oder Verschmelzung, weiters Bewertungen im Rahmen eines Verlassenschaftsverfahrens oder bei der Aufteilung des ehelichen Vermögens.

Ein häufiger Anwendungsfall von Bewertungen findet sich auch im Gesellschafterstreit. Hier ist vor allem auf die gesellschaftsvertragliche Grundlage und dort geregelte Bewertungsverfahren Bezug zu nehmen.

Auch wenn für die Praxis das KFS BW 1 der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen die Richtschnur der lege artis Ausübung eines Bewertungsverfahrens vorgibt, so eröffnet es auch enorme Spielräume und Hebel, die von beiden Seiten trefflich argumentiert werden können. Im konkreten Fall obliegt es daher dem erfahrenen Experten, das in der Sache am besten geeignete Bewertungsverfahren anzuwenden und diese Anwendung nachvollziehbar zu begründen. Wir sind durch unserer jahrzehntelange Erfahrung in der Lage, aus den möglichen Parametern bzw. dem „Zahlenfriedhof“ des Bewertungsobjekts den belastbaren objektivierten Unternehmenswert nicht nur zu berechnen, sondern auch gerichtsfest schlüssig darzustellen und dies auch vor Gericht, vor Gesellschafterversammlungen etc als Sachverständige zu vertreten.