Ein Dauerbrenner in der Unternehmens- und Beratungspraxis: Die Anhangangabe bzw. Erläuterungspflicht gem. § 225 UGB bei bilanziell bzw. buchmäßig negativem Eigenkapital

Der RS0064962 OGH vom 25.10.2017 lautet sinngemäß, dass die rein rechnerische Überschuldungsprüfung durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen ist, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplans sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu prüfen ist.

Vorsicht bei Musterformulierungen!

Skepsis bzw eine kritische Grundhaltung ist geboten bei der Anwendung von formelhaften Mustersätzen, die iVm Bilanzierungssoftware als Argumentationshilfe dafür angeboten werden, warum trotz buchmäßiger Überschuldung bzw Ausweis eines negativen Eigenkapitals, keine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung iSd § 67 IO vorliegt (beispielhaft):

  • Das negative Eigenkapital findet in der Bewertung des Unternehmens auf Basis von gutachterlich ermittelten Liegenschaftsverkehrswerten Deckung.
  • Es wurde eine positive Fortbestehensprognose erstellt, die im kommenden Jahr bereits Gewinne in Höhe von EUR xx,x erwarten lässt.
  • Es besteht eine verbindliche Zusage der Muttergesellschaft, den Verlust abzudecken.
  • Die Gesellschafter haben verbindlich erklärt, die Finanzierung der Gesellschaft zu sichern, und in Höhe der jeweils bestehenden Überschuldung mit Forderungen an die Gesellschaft, die zum Bilanzstichtag in Höhe von EUR xx,x bestanden, hinter die Ansprüche aller anderen Gläubiger zurückzutreten.

Haftungspotential für den Bilanzersteller

Wenn der Bilanzersteller ein berufsmäßiger Parteienvertreter und sohin Sachverständiger iSd § 1299 ABGB ist, könnte der „zu optimistische bzw unkritische Umgang“ mit Informationen der Gesellschaft bzw die Involvierung oder inhaltliche Unterstützung der Geschäftsführung bei der formelhaften Formulierung der Anhangserläuterung zum negativen Eigenkapital gem. § 225 (1) UGB, die schon – ex ante – zu optimistisch bzw zu wenig belastbar war, im späteren Insolvenzfall mit entsprechendem Gläubigerausfall bzw Gesellschaftsschaden durch den wirtschaftlich negativen Fortbetrieb (Differenzschaden), Vorwürfe bzw Schadenersatzforderungen zur Folge haben.

Die Verpflichtung zur Erläuterung des negativen Eigenkapitals ist eine Anhangsangabe und daher als Teil des Jahresabschlusses auch vom Geschäftsführer persönlich zu unterfertigen. Auch nicht offen gelegte Fortbestehensprognosen, Berechnungen, Unternehmensbewertungen etc., die dem Bilanzersteller (Steuerberater) übermittelt werden, sollten daher schon aus Dokumentations- und Haftungsgründen vom Geschäftsführer unterfertigt werden.

Erläuterungspflicht bei Kleinst- bzw. Micro-GmbHs

Übrigens: Die Erläuterungspflicht des § 225 (1) UGB zum negativen Eigenkapital bzw zur Frage der Überschuldung gem. § 67 IO entfällt bei Kleinst- bzw „Micro“-GmbH´s, die keinen Anhang aufzustellen brauchen (§ 242 (1) UGB). Die zahlenmäßigen Parameter, der Kleinstkapitalgesellschaften von denen zwei von drei nicht überschritten werden dürfen sind (aktuell ab 2024): TEUR 450 Bilanzsumme, TEUR 900 Umsatzerlöse und max. 10 AN.

Angesichts der statistischen Häufung dieser Kleinstform einer Kapitalgesellschaft mit mehr als zwei Drittel aller GmbH´s und des – aufgrund des (gesetzlich zulässigen) Informationsdefizits – doch erheblichen Potentials der Gläubigerschädigung, sollte diese „Erleichterung“ (aus aktuellem Anlass) hinterfragt werden.